Landhaus-Dresden-Press-SZ

Sächsische Zeitung, Nadja Laske,

Ein Feuer hat am Samstagmorgen die alte Staatsoperette in Dresden zerstört. Olivia Delauré, Marcus Günzel, Wolfgang Schaller und Elmar Andree  äußern sich entsetzt.

Entsetzt hören Sänger und Ex-Intendant Wolfgang Schaller von dem Brand in Leuben. Anwohner reagieren bestürzt. Rot-weißes Flatterband sperrt am Morgen nach dem Brand in der alten Operette die Pirnaer Landstraße ab. An der gegenüberliegenden Haltestelle stehen nicht nur wartende Fahrgäste, sondern auch viele Anwohner, die gekommen sind, um sich mit eigenen Augen von dem Geschehen zu überzeugen.

„Die Operette war früher so beliebt und ein richtiger Dreh- und Angelpunkt im Stadtteil“, sagt Simone Gerstorf. Sie richtet die Handykamera aufs Dach des Gebäudes, das halb eingestürzt und verkohlt in den grauen Himmel ragt. Von einem ausgefahrenen Kranarm aus hat ein Feuerwehrmann den Strahl seines Löschschlauches auf die Ruine gerichtet und erstickt damit noch kleinere Brandherde.
„Ich hoffe, der Täter wird gefunden“
„Ich war früher gern in der Operette hier in Leuben. Es ist so schade, dass es keine weitere Nutzung als Kulturzentrum gegeben hat“, sagt Simone Gerstorf. Dann greift sie ihr Fahrrad und macht sich wieder auf den Weg. Seniorin Anneliese schiebt ihren Rollator an die Fahrbahn: „Die pure Zerstörungswut!“, murmelt sie. Auch sie kennt die Operette noch als Gast. „Ich hoffe, der Täter wird gefunden und bestraft“, sagt sie und sieht bekümmert aus. Die Polizei hat bislang noch keinen Anhalt, ob es sich um fahrlässige und mutwillige Brandstiftung handelt.

„Der Neubau war die Zukunft“
Am späten Mittag ist einer zum Brandort gekommen, der 13 Jahre lang in der Leubener Operette aus- und ein ging: Wolfgang Schaller, einst Intendant der Dresdner Staatsoperette. „Ich war in der Zeit beinah jeden Tag im Haus“, sagt er. Seine eindrücklichsten Erinnerungen an den Stadtort ist die Leidenschaft des Ensembles und sein Engagement für das neue Theater im Kulturkraftwerk Mitte.
„Wir haben alle die alte Operette geliebt, aber der Neubar war die Zukunft und ist eine riesige Errungenschaft“, sagt der 73-Jährige. Dass das zum Teil
denkmalgeschützte alte Domizil seit fast zehn Jahren leer steht, immer wieder das Ziel von Vandalismus war und seine Zukunft bis jetzt vage blieb, ärgert ihn allerdings. „Ich hätte mir gewünscht, dass der Beschluss im Zuge des Neubaus zeitnah umgesetzt worden wäre, nämlich die Immobile zur Deckung der Kosten für das neue Haus zu verkaufen“, sagt er.

„Den Moment werde ich nie vergessen“
Mit Bestürzung hat Olivia Delauré am Freitagabend von dem Inferno gehört. „Für mich sind unfassbar tolle Erinnerungen mit dem Haus verbunden“, sagt die Sängerin, die viele Jahre zum Ensemble gehört und ihre Karriere noch während ihres Studiums an der Staatsoperette begonnen hat.
Ihr Debüt gab sie als Eliza Doolittle in My Fair Lady. „Sechs Jahre war ich am Haus und durfte dort so schnell wachsen und so viele großartige Erfahrungen sammeln“, erzählt sie: In Der Vetter von Dingsda, Gräfin Mariza, Zauberer von Oz, Evita und der Rocky Horror Picture Show hatte sie Paraderollen. „Den Moment, als mit der allerletzten Rocky-Show für immer der Vorhang der Leubener Operette fiel, werde ich nie vergessen!“
Ihren Mann, den Sängerkollegen Marcus Günzel, hat die Sopranistin im Ensemble kennengelernt und in etlichen Rollen mit ihren Kindern im Bauch
noch auf der Bühne gestanden: „All das verbinde ich mit der altern Operette.“

Ihr ehemaliger Bühnenpartner Elmar Andree hat den ganzen Freitagabend lang das Leubener Feuerdrama im Internet verfolgt. „Ich bin entsetzt!“, sagt er. Auch ihm war das eigentlich als Theater unzulängliche Haus ans Herz gewachsen. Neben Inszenierungen wie „Kiss Me Kate“, „Gasparone“ oder „Hänsel und Gretel“ bleibt ihm die Künstlerkantine im Gedächtnis. Die hatte zur Hofseite einen Garten und war ein geselliges Zentrum. „Die alte Operette hatte immer eine besondere Atmosphäre“, sagt er, „Sie war irgendwie Kult und sehr individuell“.

Sehr ähnlich empfindet das Jessica Glatte. Die Sopranistin war 16 Jahre lang an der Staatsoperette Dresden engagiert. Sie hatte vorgelebt, was Olivia
Delauré später fortsetzte: Eine bravouröse Eliza Doolittle und unzählige Hauptrollen auf der Leubener Bühne. Und sie lebte sozusagen nach, womit ihre Mutter, Marita Böhme, schon das Publikum begeistert hatte – ebenfalls in „My Fair Lady. „Die Operette war mein zweites Zuhause“, sagt Jessica Glatte. „Dieses Gebäude hatte seinen ganz eigenen Charme, und ich habe es in seinem hohen Alter und seiner Unvollkommenheit geliebt.“

Alt, unvollkommen, liebenswert
Alle Gewerke seien dicht beieinander gewesen. „Als ich schwanger wurde und es noch niemand wissen sollte, konnte ich zu den Kolleginnen in die
Schneiderei gehen und sie bitten, mein Kostüm zu ändern, weil ich schon wieder nicht mehr reinpasste“, erzählt sie. „Sie haben das unauffällig gemacht, und alles war gut.“ Der Geruch der Baracke hinter dem Hauptgebäude ist für sie und Elmar Andree noch sehr präsent. Der Bass-Bariton meint, es habe nach den alten Dämmplatten gerochen. Jessica Glatte nennt es „ein Geruch wie Kinderferienlager“ Aber letztlich sei das egal – es war eine schöner Ort.